Wie gut ist die stationäre Pflege in Berlin?
Das fragt man sich nicht erst seit den letzten Meldungen über den missbräuchlichen Medikamenteneinsatz zur Ruhigstellung von Pflegebedürftigen, um deren Einstufung in eine höhere Pflegestufe zu erreichen. Zur Erinnerung: In Berlin gibt es derzeit ca. 500 stationäre Einrichtungen mit knapp 27.000 Bewohnern.
Jeder Leiter eines Pflegeheimes sollte m.E. folgende Frage beantworten:
Würden Sie Ihre eigene Mutter/ Ihren eigenen Vater ohne Bedenken in Ihrem Heim betreuen lassen?
Bisher gibt es in Berlin keine Veröffentlichungen zur Qualität der Pflege bezogen auf die einzelnen Heime. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen und die Heimaufsicht prüfen die Heime zwar regelmäßig, aber diese Berichte dürfen nicht veröffentlicht werden. Um dem abzuhelfen, startete Berlin im November eine entsprechende Initiative zur Gesetzesänderung auf Bundesebene. Bis diese beschlossen ist, kann einige Zeit vergehen, die jedoch nicht ungenutzt verstreichen sollte.
Was können wir schon heute in Berlin tun?
- Vorhandene Gesetze nutzen:
Gemäß § 22Abs.3 des Heimgesetzes ist die Heimaufsicht verpflichtet, alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen. Der letzte Bericht der Heimaufsicht Berlin berichtet über die Jahre 2002/ 2003. Ein aktueller Bericht ist schnellstmöglich vorzulegen. - Die Qualität kann u.a. dadurch verbessert werden, dass der Grundsatz „Beraten vor Intervenieren“ verstärkt umgesetzt wird. Hieran krankt es in Berlin. Weder wird richtig beraten, noch dann, wenn es skandalöse Zustände gibt, angemessen streng reagiert, weil die Berliner Heimaufsicht relativ ängstlich ist. Die Heimaufsicht muss zu einem schlagkräftigen, effektiven Instrument der Überwachung umgebaut werden. Sie braucht ein neues Gesicht.
- Zur Verbesserung der Qualität gehören auch, aber nicht nur, mehr Überwachungs- und Kontrollbesuche. Bisher gibt es kaum unangemeldete Besuche. Gerade bei anlassbezogenen (beschwerdebezogenen) Besuchen wäre dies zweckmäßig und notwendig.
- Die Prüfberichte der Medizinischen Dienste der Krankenkassen sind Mängelberichte. Hilfreicher für den Verbraucher wäre m.E. eine Art Gütesiegel, das Aussagen zur Güte der Qualität in den Bereichen der Pflege, der medizinischen Versorgung, der Unterbringung, der Versorgung usw. macht.
- Es muss vieles durchdacht werden, z.B. das System der Personalbemessung. So ist beispielsweise bei der Betreuung von Demenzkranken nicht immer eine Fachkraft im eigentlichen Sinne notwendig, wie bisher zwingend vorgeschrieben. Sinnvoller erscheint hier der Einsatz einer Präsenzkraft, also einer Person, die immer beim Kranken ist. Außerdem gibt es keinen Anreiz für Pflegeeinrichtungen, jemanden von Pflegestufe III in Stufe II zu rehabilitieren. Dies würde sogar mit geringeren Kostenerstattungen bestraft.
- Eine Berliner Charta der Pflegequalität ist sinnvoll. Ich bin mir sicher, dass die Wohlfahrtsverbände aktiv an der Erarbeitung derselben mitwirken werden und dass über diese schnelle Fortschritte bei der Transparenz der Pflegequalität erreichbar sind.
Auch die Pflege zu Hause sollte nicht aus den Augen verloren werden. Hier agieren teilweise engagierte, aber überforderte Angehörige. Die Qualität der Pflege kann individuell sehr verschieden sein. Missstände sind noch schwerer als in Pflegeheimen zu erkennen.
Nach meiner Erfahrung wäre es sehr hilfreich für Bewohner und Mitarbeiter, wenn sich die Behörden von ihren Checklisten lösen und auf Zwischentöne achten. Alle Mängel haben ihre Ursache und diese liegt häufig in einer unfähigen Führung. Leider hat man häufig den Eindruck, dass keine Behörde sich mit wirklichen internen Problemen befassen will, sondern nur labidar an der Oberfläche kratzt.