Umstellungsgutachten Bewohner in Heimen für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige

Seit einiger Zeit beunruhigen die sogenannten Umstellungsgutachten Bewohner in Heimen für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige. Deshalb fragte ich dazu die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales im Rahmen der entsprechenden Ausschuss-Sitzung am 28.10.10.

Zur Dokumentation von Fragen und Antworten zitiere ich aus dem Inhaltsprotokoll der Ausschuss-Sitzung:

Birgit Monteiro (SPD) möchte wissen, wie der Stand der Umstrukturierung des Wohnens von erwachsenen Menschen mit Behinderung im Bereich vollstationärer Einrichtungen, der sog. Umstellungsbegutachtung, sei, von der 3 200 Bewohner von stationären Einrichtungen und ihre Angehörigen betroffen seien.

Staatssekretär Rainer-Maria Fritsch (SenIntArbSoz) erinnert daran, dass der Landesrechnungshof mehrfach die Preisunterschiede bei der stationären Heimunterbringung von 150 Prozent kritisiert habe, die sich weder durch die unterschiedliche Art der Leistungserbringung, noch durch die Situation der Betroffenen, noch mit historischen Entwicklungen oder unterschiedlicher Tarifstruktur der Einrichtungen erklären ließen. Im bisher angewandten Metzler-Verfahrens würden die Hilfebedürftigen in fünf Hilfsbedarfsgruppen eingeteilt. Es habe sich gezeigt, dass Berlin im Vergleich zum Bundesdurchschnitt einen besonders hohen Anteil an Menschen in den höchsten Hilfebedarfsgruppen habe, wofür es keine plausible Erklärung gebe. Mit der Liga sei vereinbart worden, über einen mehrjährigen mehrstufigen Prozess zu einer neuen Begutachtungsform zu kommen, in der statt der bisherigen Punktwerte Zeitwerte maßgeblich seien. Dadurch werde mehr Transparenz erreicht und könne es gelingen, zu einer veränderten Preisbildung zu kommen. Diese Umstellung bleibe budgetneutral; Kürzungen seien nicht beabsichtigt.
Nach einer europaweiten Ausschreibung führten zwei Institute in Zusammenarbeit mit den Universitäten Konstanz und Koblenz nun die Begutachtungen durch. Bis zu dieser Woche seien ca. 2 500 Menschen mit Behinderungen in den Einrichtungen begutachtet worden. Bis in zwei, drei Wochen hoffe man, mit der Begutachtung aller fertig zu sein. Dann erfolgten Berechnungen. Am 15. Dezember sei geplant, auf einer großen Veranstaltung die Ergebnisse vorzustellen.

Birgit Monteiro (SPD) erkundigt sich, ob insgesamt ein geringerer oder ein höherer Hilfebedarf festgestellt worden sei.

Staatssekretär Rainer-Maria Fritsch (SenIntArbSoz) antwortet, bisher gebe erst einzelne Auswertungen von Einrichtungen. Insgesamt seien bisher keine wesentlichen Veränderungen festzustellen. Erst wenn die Untersuchung ganz abgeschlossen sei, könne man Aussagen machen. Wichtig sei, dass nicht nur Stichprobenuntersuchungen gemacht würden, sondern alle behinderte Menschen in Heimen einbezogen seien.

5 Kommentare
  1. Stephan T.
    Stephan T. sagte:

    Ich arbeite in einer Berliner Behinderteneinrichtung der Diakonie. Unsere Bewohner, ca. 100, sind begutachtet worden. In der Wohngruppe in der ich arbeite, (mittelgradig geistig behinderte erwachsene Menschen) sind alle Bewohner auf den Begutachtungsveranstaltungen fast genauso nach HMBW eingestuft worden wie sie auch vorher schon eingestuft waren. Aber die darauffolgenden Bescheide der Sozialämter brachten für 5 von 7 Bewohnern eine Umstufung von der HBG4 in die HBG3, für einen Bewohner sogar um 2 Stufen von der HBG3 in die HBG1. Ein Bewohner wurde, so wie er auch von uns derzeit eingeschätzt wird von der HBG4 in die HBG5 runtergestuft. Es scheint, als wenn diese Begutachtungen tatsächlich keine nennenswerten Beschneidungen der HBG der behinderten Menschen bedeuten. Aber was die Sozialämter, sprich Fallmanager dann ohne ersichtlichen Grund daraus machen, ist ganz klar nichts weiter als eine drastische Sparmaßnahme. Alle Fallmanager waren zu den Begutachtungsveranstaltungen eingeladen, nur wenige erschienen. Ich habe an einer Begutachtung teilgenommen, zu der auch die zuständige Fallmanagerin anwesend war. Diese stimmte der Begutachtung des Bewohners und Einstufung in die HBG4 eindeutig zu. 6 Wochen später erhielt der Bewohner einen Bescheid von der Fallmanagerin in dem er ab dem 01.05.2011 in die HBG3 eingestuft ist und damit weniger Anspruch auf Hilfeleistungen hat als vorher. Ich finde, das sieht ja wohl eindeutig so aus, als ob die Berliner Sozialämter den Rahmen der Umstellungsbegutachtungen nutzen um die behinderten Menschen drastisch in ihren HBG zu beschneiden und damit auf einen Sparkurs zu bringen.

  2. Angehörige
    Angehörige sagte:

    Sehr geehrter Herr T.,
    Die neuen Bescheide sollten die alten HBG gar nicht enthalten, da auf Leistungsgruppen (LG) umgestellt wird. Aus den alten 5 HBG werden 6 LG, ein direkter Vergleich zwischen bspw. HBG 4 und LG 3 ist nicht möglich. Dieser Vergleich kann erst geführt werden, wenn die Entgelte für die neuen LG feststehen. Diese stehen meines Wissens aber noch nicht fest.
    @ Birgit Monteiro:
    Wurden denn am 15.12.2010 die Ergebnisse vorgestellt?

  3. Birgit Monteiro
    Birgit Monteiro sagte:

    Sehr geehrte Angehörige,
    meines Wissens hat die für den 15.12.10 angekündigte Veranstaltung bisher nicht stattgefunden.
    Gruß
    Birgit Monteiro

  4. oberseekaethe
    oberseekaethe sagte:

    Es ist absurd, dass nunmehr auch in der Begutachtung schwerst behinderter Menschen- ebenso wie in der Pflege alter Menschen – künftig ein Zeittakt den Ton angeben soll, wiewenig und nicht wieviel ein behinderter Mensch zur Unterstützung bei der Teilhabe bekommt. Der Staatsekretär Rainer-Maria Frisch kommt als Wolf im Schafspelz daher, `erklärt` , dass die neue Form von Begutachtung einzig und alleine Gerechtigkeit unter den vollstationär betreuten Menschen herstellen solle. Auch werde erst nach der Wahl ( also ab heute! ) eine Änderung auf den Weg gebracht. Wäre diese, die die Mietbescheide über steigende Mieten, vor der Wahl verabschiedet worden, dann hätten sicher noch mehr Menschen mit Behinderung und deren Angehörige die Parteienvertreter von der Partei “ Die Linke“ abgestraft.

    Herr Fritsch stilisiert sich seit einigen Jahren als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, dabei war er jahrelang Erfüllungsgehilfe und Handlanger von diversen Unternehmensberatungen, die den Sparkurs z.B. in der Jugendhilfe `wissenschaftlich` begründeten.

    Interessant und bezeichnend, dass Herr Staatsekretär Rainer-Maria Fritsch noch forschere Ideen in die Welt setzte: Z.B. erwog er, dass die Jugendhilfe u.a. nach dem Modell der Triage saniert werden könne. Ich zitiere ihn : »So ein System sollten wir einführen“ …. Ursprünglich diente es zur Ersteinschätzung von Patienten in der Notaufnahme. Klaus W.sitzt in einer der hinteren Reihen. »So ein Triage-System«, flüstert er einem Kollegen zu, »gab es schon in den Lazaretten im Ersten Weltkrieg. Um zu entscheiden, wen man verrecken lässt.« – »Sie müssen Standards festlegen in Ihren Teams, wessen Behandlung Priorität besitzt«, sagt
    Fritsch. »Ansonsten werden Sie sich verzetteln.«
    nachzulesen unter http://www.zeit.de/2008/22/Jugendamt

    Ich nenne derartige Gedankenspiele , noch dazu ohne wirkliche Notlage in einem reichen Land wie Deutschland, menschenverachtend!
    Ein behinderter Mensch läuft bei derartig explosiven Gedankengut Gefahr, dass es nicht lohneswert sei, dass man ihm unter die Arme greift?
    Die Ideen von Herrn Fritsch blieben in der der Jugendhilfe zum Glück Makulatur, weil er 2009 zum Karrieresprung in die Politik ( sein Sprungbrett war die Partei „Die Linke“ ) ansetzte.
    Mal sehen, wo Herr Fritsch in Zukunft seine „neoliberalen“ Ideen im Umgang mit sozial benachteiligten Menschen einbringen wird.Ich bleibe jedenfalls wachsam!

    S.Schmidt
    Mutter einer behinderten Tochter

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