Stolpersteineinweihung von Frieda Rosenthal

Foto: Stolperstein von Frieda RosenthalStolpersteine sind kleine Mahnmale, die an das Schicksal der Menschen erinnern sollen, die von den Nationalsozialisten ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Freitod getrieben wurden. Sie werden von Gunter Demnig angefertigt und vor der letzten Wohnung des Opfers verlegt.

Vom 15.09.-07.10.08 wurde im Lichtenberger Nachbarschaftshaus Kiezspinne erstmals in Berlin die Stolpersteinausstellung des Kölner NS-Dokumentationszentrums gezeigt.

Im Rahmen dieser Ausstellung wurde am Mi., 01.10.08, 17 Uhr, ein Stolperstein für Frieda Rosenthal in der Fanninger Str. 53 feierlich eingeweiht, dessen Pate Birgit Monteiro ist.

Frieda Rosenthal war erst Stadtverordnete der KPD und kämpfte gegen den stalinistischen Kurs der KPD-Führung, weshalb sie von der KPD ausgeschlossen wurde. Sie trat in die SPD ein, für die sie 1932-1933 Stadtverordnete in Kreuzberg war. Später trat sie der SAP bei und wurde am 19.08.1936 durch die Nazis verhaftet, verhört und misshandelt. Am 15.10.1936 erhängte sie sich.

Rede von Siegfried Heimann, der Vorsitzende der Historischen Kommission des Berliner SPD-Landesverandes, anlässlich der Einweihung des Stolpersteins für Frieda Rosenthal

Vielen Dank Birgit Monteiro
Meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen!

Als ich in diesem Sommer von Birgit Monteiro angesprochen wurde, ob ich bei der Einweihung eines Stolpersteins für Frieda Rosenthal einige Worte sagen wollte, habe ich sofort zugesagt. Eine Frau soll mit einem Stolperstein geehrt werden, die sich dem nazistischen Terror mutig widersetzt und diesen Einsatz mit ihrem Leben bezahlt hat.

Wir wissen schon seit langem und seit kurzen auch sehr genau, wie viel Widerstand gegen den Nazismus in Berlin auch und gerade aus den Reihen der Arbeiterorganisationen kam. Wir wissen es genau dank der beeindruckenden Monographie von Rainer Sandvoss über den Arbeiterwiderstand in Berlin. Viele Namen tapfererer Widerstandskämpfer sind erst durch seine Forschungen dem Vergessen entrissen worden. Es sind mehr als manche zuvor vermutet hatten und ihre Namen werden zu Recht geehrt.

Aber es gab auch nicht wenige Frauen, die ebenso mutig und ebenso von Anfang an Widerstand leisteten. Ihre Namen sind in der Öffentlichkeit weniger bekannt. Frieda Rosenthal war eine dieser mutigen Frauen. Die Erinnerung an ihr Leben und Sterben sollte gerade in Berlin wach gehalten werden.

Frieda Rosenthal war sicher keine Genossin, wie sie im Parteibuch steht. Dazu hat sie zu oft die Partei gewechselt, vor allem, um sich selber treu bleiben zu können.

Die als Näherin (Stepperin) ausgebildete Frieda Rosenthal, geborene Schrinner wurde am 9. Juni1891 in Berlin geboren. Sie heiratete den Angestellten Richard Rosenthal und arbeitete bis nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in einer Kleiderfabrik. Danach war sie im Amt für Sozialfürsorge im damals noch bis 1920 selbständigen Lichtenberg tätig. Seit Mitte der zwanziger Jahre arbeitete sie beim Berliner Magistrat, zuletzt in der Beratungsstelle beim Hauptgesundheitsamt. Sie studierte Ende der zwanziger Jahre an der Wohlfahrtsschule des Sozialpolitischen Seminars der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gegründeten Deutschen Hochschule für Politik und legte im Jahre 1930 die Abschlussprüfung als Fürsorgerin ab. Während der Weimarer Republik hatten nicht wenige begabte Arbeiterinnen und Arbeiter eine ähnliche Ausbildung erfahren, nicht zuletzt der langjährige Berliner SPD-Vorsitzende Franz Neumann.

Frieda Rosenthal war zuvor schon als Fürsorgerin und seit 1929 als hauptamtliche Stadträtin im Bezirksamt Mitte tätig. 1933 gehörte sie mit zu den ersten, die von den Nazis aus dem Bezirksamt entlassen wurden. Sie war zunächst arbeitslos und arbeitete seit November 1933 wieder in ihrem alten Beruf als Stepperin.

Frieda Rosenthal hatte sich schon bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auch politisch engagiert. Sie trat freilich 1919 nicht in die SPD ein, sondern deren linke Abspaltung, in die Unabhängige Sozialdemokratie, in die USPD ein. Zu sehr waren die sozialistischen Hoffnungen vieler Arbeiterinnen und Arbeiter in den ersten Monaten des Jahres 1919 enttäuscht worden.

Bereits 1920 wurde sie für die USPD in die Bezirksverordnetenversammlung von Lichtenberg gewählt. Als sich ein großer Teil der USPD- Mitglieder noch im Jahre 1920 der ein Jahr zuvor gegründeten Kommunistischen Partei anschloss, ging sie diesen Weg mit und machte eine schnelle politische Karriere in dieser Partei. Im Jahre 1924 wurde sie in die KPD-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg gewählt. Sie war für Agitation und Propaganda und später für Frauenbildung und Frauenschulung zuständig. Im gleichen Jahr wurde sie im Wahlkreis 14, das war Berlin-Lichtenberg, in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt und bis 1933 immer wieder gewählt, wenn auch später in Berlin-Kreuzberg. In der Bezirksverordnetenversammlung und in der Stadtverordnetenversammlung nahm sie kein Blatt vor den Mund und handelte sich nach 1925 eine Anzeige wegen Beleidigung des Reichspräsidenten Hindenburg ein. Sie hatte ihn, den Verantwortlichen für das Massenmorden im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite, einen Massenmörder genannt. Es verwundert deshalb auch nicht, dass sie sich, als im Jahre 1924 die Linke in der KPD für kurze Zeit die Parteiführung übernahm, auf die Seite dieser Parteilinken schlug. Sie wollte radikal sein und Schuldige beim Namen nennen. Sie sah aber auch die soziale Not in ihrer unmittelbaren Umgebung und Tag für Tag während ihrer Arbeit als Fürsorgerin. Sie begriff, dass radikale Sprüche wenig hilfreich waren, um die alltägliche Not zu lindern. Ihr pragmatischer Sinn ließ sie daher schon bald an der ultralinken Politik der kommunistischen Parteiführung zweifeln und sie schloss sich bereits Ende 1925 der gemäßigteren Parteimehrheit an.

Diese Mäßigung in der Politik der KPD hielt freilich nicht lange an. Im Jahre 1929 spätestens verfolgte die KPD unter der Überschrift „Kampf dem Sozialfaschismus“ eine Politik, die die Sozialdemokratie zum Hauptfeind erklärte, der gefährlicher sei als die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler.

Für Frieda Rosenthal war damit im Bruderkampf der beiden Arbeiterparteien, wie es damals hieß, eine Grenze überschritten. Gemeinsam mit sechzig anderen Berliner KPD-Mitgliedern, darunter Karl Raddatz, der spätere sozialdemokratische Stadtrat aus Neukölln, kritisierte sie in einem „Offenen Brief“ die irrwitzige Politik der KPD-Parteiführung und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Sie war zunächst parteilos, danach für kurze Zeit Mitglied der SPD. Aber gerade zu dieser Zeit, im Jahre 1930, versuchte die SPD durch eine Stillhaltepolitik gegenüber den konservativen Parteien im Reichstag, im Preußischen Landtag und auch in der Berliner Stadtverordnetenversammlung das größere Übel, die Machtergreifung durch die Nazis zu verhindern. Dieser Tolerierungspolitik war kein Erfolg beschieden. Linke Sozialdemokraten kritisierten diese Politik ihrer Partei vehement und gründeten schließlich 1931 eine eigene Partei, die Sozialistische Arbeiterpartei, die SAP, der auch Willy Brandts damals angehörte. Auch Frieda Rosenthal schloss sich dieser Partei an. Aber auch die SAP konnte in den anstehenden Wahlen des Jahres 1932 keine Wahlerfolgen erzielen.

Und schließlich kam das Jahr 1933. Die Nazis brauchten die Macht nicht zu ergreifen. Es war der Reichspräsident Hindenburg, der Hitler die Macht übergab und ihn zum Reichskanzler ernannte. Frieda Rosenthal wartete nicht auf die Order irgendeiner Partei zum Widerstand. Zusammen mit anderen Genossinnen und Genossen, ehemalige Parteimitglieder wie immer noch aktive Parteimitglieder der KPD, aus Friedrichshain begann sie bald mit aktiven Widerstand gegen die Nazi-Diktatur. Die Zusammenarbeit in der Illegalität war sicher nicht einfach, zu sehr waren die alten Streitereinen um die richtige Linie noch in Erinnerung. Aber Frieda Rosenthal war dennoch bald in der kleinen, auf wenige Berliner Kieze im Bezirk Friedrichhain beschränkte Widerstandsarbeit an führender Stelle tätig. Die Gruppe verfasste Flugblätter und verbreiteten sie, so gut es ging. Für die Gestapo war Frieda Rosenthal später die politische Leiterin der KPD-Gruppe Friedrichshain.

Mitte des Jahres 1936 gelang es der Gestapo, viele kommunistische Widerstandsgruppen zu zerschlagen. Dazu gehörte auch die Gruppe aus Friedrichshain. Frieda Rosenthal wurde am 19. August 1936 wegen, wie es hieß: „Vorbereitung zum Hochverrat“, verhaftet und sofort in strenge Einzelhaft genommen. Die Gestapo ordnete an, Frieda Rosenthal sei „streng isoliert zu halten“ und ihr dürfe keine „Schreib- und Sprecherlaubnis“ erteilt werden. Sie wurde in brutaler Weise verhört, weigerte sich aber standhaft, Namen ihrer Mitgenossen zu nennen. Als sie glaubte, eine Genossin belastet zu haben, weil sie zugab, sie zu kennen, widerrief sie ihre Aussage. Sie fürchtete freilich, dass der Widerruf ohne Wirkung bleiben würde und sie setzte noch am gleichen Tage ihrem Leben ein Ende. Frieda Rosenthal erhängte sich am 15. Oktober 1936 am Heizkörper ihrer Zelle.

Es ist an uns, ihren Namen und ihren mutigen Widerstand nicht zu vergessen. Der Stolperstein soll dazu mithelfen. Wir danken Birgit Monteiro, dass sie mit der Stiftung des Stolpersteins dafür einen Anstoß gab.