Rede zum Antrag von SPD und Linksfraktion: Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (08.05.08)

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Flash-Mitschnitt des RBB (externe Seite)


Sehr geehrter Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Nicht nur die Franzosen wissen: „Wer den Teig nicht knetet, wird kein gutes Brot essen.“

Uns allen ist klar, auch wenn „gut Ding Weil haben will“, geschehen gute und wichtige Dinge fast nie im Selbstlauf.

Wer vor zwanzig oder auch vor weniger Jahren Behinderung als Wechselverhältnis von behinderten und nichtbehinderten Menschen ansah, galt als Exot.

Behinderung nicht primär als Schädigung oder Funktionseinschränkung zu begreifen, sondern als Einschränkung der Teilhabe, ist inzwischen in zahlreiche Gesetzestexte eingeflossen, in das SGB IX, die Behindertengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, auch in das Landesgleichberechtigungsgesetz Berlins und nicht zuletzt jetzt in den Text der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen.

Bereits im Dezember 2006 hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Konvention verabschiedet.

Sie regelt unter anderem die Anforderungen, die behinderte Menschen im Rahmen eines Lebens, das selbstbestimmt und frei von Benachteiligungen ist,  an ihr Heimatland richten können.

Wichtige Bereiche der Konvention – wie Erziehung, Bildung und Lebensmöglichkeiten in der Kommune – fallen dabei in den Zuständigkeitsbereich der Länder.

Mit der Unterzeichnung der UN-Konvention am 30. März 2007 in New York hat sich die Bundesregierung verpflichtet, das Ratifizierungsverfahren einzuleiten, d.h., die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat einzuholen.

Auf internationaler Ebene trat die Konvention vor ein paar Tagen, nämlich am 03.05.2008, in Kraft.

Voraussetzung dafür war die Ratifizierung durch mindestens 20 Staaten.  Bis zum heutigen Tag haben 25 Staaten die Konvention ratifiziert. Deutschland gehört leider bisher nicht dazu, obwohl es bei der Erarbeitung und Verhandlung der Konvention eine führende Rolle gespielt hat.

Was erhoffen sich die Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände von der Ratifizierung?

Sie erhoffen sich neue Impulse für die Verwirklichung einer umfassenden Gleichstellung und gesellschaftlichen Teilhabe, besonders für die Bereiche Bildung, Arbeitsmarkt und Barrierefreiheit.

Es gibt Widerstände gegen die Ratifizierung, selten ausgesprochen, oftmals bleiben sie unausgesprochen. Es ging und geht dabei nicht nur, aber auch um Übersetzungsfragen. Nach einer ersten Arbeitsübersetzung wurde die offizielle Übersetzung der Konvention erst Anfang dieses Jahres vorgelegt und erntete nicht wenig Kritik der Betroffenen. Hinter Fragen der Wortwahl verbergen sich große inhaltliche Herausforderungen, denen sich die Politik stellen muss. Dies und andere Gründe führten zu einem Stocken des Ratifizierungsprozesses.

Um ihm neuen Schwung zu verleihen, starteten in vielen Bundesländern Unterstützungsaktionen. In mehreren Landesparlamenten, wie jetzt in Berlin durch die Koalition initiiert, wurden entsprechende Anträge eingebracht.

Selbstbestimmte Teilhabe am Leben der Gesellschaft ist ein Anliegen, dass die Unterstützung aller im Parlament vertretenden Fraktionen braucht. Die schnelle Ratifizierung der UN-Konvention entspricht, wenn auch nicht den ersten hundert Metern des Weges zu diesem Ziel, denn im Bund und auch in Berlin gibt es ja bereits einen beträchtlichen gesetzlichen und sich in realem Handeln wiederspiegelnden Vorlauf dazu, aber die Ratifizierung stellt unbestritten eine wesentliche, neue Zwischenetappe und damit eine Vorbedingung für weitere Wegstrecken dar!

Auch außerhalb der Parlamente artikuliert sich der Wille zur Ratifizierung immer stärker.

Die Verbände, Vereine, Organisationen der Behindertenhilfe, Menschen mit und ohne Behinderungen schauen sehr genau hin und hören aufmerksam zu, wie die Frage der Ratifizierung in den Parlamenten und Parteien diskutiert wird.

Sie beschränken sich nicht auf das Abwarten.

Neben unzähligen anderen Aktionen, die am 05.05.08, dem europaweiten Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen unter dem Motto: „Teilhabe jetzt – Eine Gesellschaft für alle“ stattfanden, wurden und werden  bis Anfang August Unterschriften für eine schnelle Ratifizierung der UN-Konvention gesammelt. Ihre Übergabe an die Bundesregierung ist für September geplant. Daneben gibt es vielfältige Aktionen, um auch die breite Bevölkerung mit den wichtigen Inhalten der Konvention vertraut zu machen.

Damit sowohl Ratifizierung als auch Information und Gewinnung breiter Bevölkerungskreise gelingen können, ist die Einbeziehung von Betroffenen und ihrer Verbände dringend geboten. Auch dies ist Inhalt des vorliegenden Antrages. Wenn man den Grundsatz von Menschen mit Behinderungen „Nichts über uns ohne uns“ ernst nimmt, muss diese Einbeziehung tatsächlich stattfinden.

Möge dieses Haus dazu beitragen, existierende Widerstände schnellstens aus dem Weg zu räumen! Berlin kann und muss sich klar und deutlich positionieren, wenn es darum geht, dass Deutschland schnellstmöglich nachzieht und die Konvention ratifiziert.  Die Zustimmung aller Fraktionen für den vorliegenden Antrag wäre deshalb das richtige und außerdem ein sehr deutliches Signal!

Vielen Dank.