Rede im Plenum: Vollständige Barrierefreiheit durch sprechende Busse und Straßenbahnen.
16.10.14: Rede im AGH zur Priorität der Piraten, DS 17/1882, Antrag: Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Fahrgäste erhöhen durch „sprechende Busse und Straßenbahnen“
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
angesichts des Antrages der Piraten unternahm ich den Versuch, mich auf der Homepage der BVG zum Sachstand zu informieren.
Zwei Dinge finde ich an dieser Aussage bemerkenswert:
- Maßnahmen für Barrierefreiheit und ZUGLEICH Kostensenkungen sind möglich. Das Beispiel sollte Schule machen!
- Es besteht eine Unklarheit darüber, was der Begriff „barrierefrei“ eigentlich bedeutet.
Diese begriffliche Unklarheit verwundert mich, ist Barrierefreiheit doch im Paragraf 4 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen folgendermaßen definiert:
„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“
Leider können Blinde, Sehschwache und Analphabeten bisher Busse und Straßenbahnen nicht ohne fremde Hilfe nutzen bzw. für sie wird jede Fahrt zu einer Fahrt ins Unbekannte, diese Beschreibung ist, so glaube ich, nicht übertrieben angesichts von 1.000 Fällen von betrieblichen Anweisungen zur Veränderung der Linienführung pro Jahr
- wegen Sport- und Großveranstaltungen,
- wegen Straßenfesten und Bauarbeiten,
- wegen Maßnahmen aufgrund extern bedingter Umleitungen
Diese Veränderungen der Linienführung dauern manchmal nur ein paar Tage, manchmal aber auch Monate und betreffen jeweils eine Vielzahl von Haltstellen.
Laut BVG haben zwar alle Straßenbahnen Außenlautsprecher, die manuell durch das Fahrpersonal bedient werden können.
- Die BVG erklärt jedoch dazu: „Das Fahrpersonal bei der Straßenbahn ist angewiesen, bei Erkennbarkeit von sehschwachen oder blinden Fahrgästen auf den Haltestellen der Straßenbahn, Linie, und Ziel über Mikrofon anzusagen.“
- Wie erkennt ein Straßenbahnfahrer einen sehschwachen Fahrgast? Und wie einen Analphabeten?
- Das weckt bei mir traurige Erinnerungen an die Debatte über Selbstbestimmung und das sog. Bedarfskneeling.
Die rund 1.300 Busse der BVG haben bisher KEINE Außenlautsprecher, hier wird der Handlungsbedarf besonders deutlich.
Spätestens seit 1992 und den Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechte Stadt arbeiten wir uns an dem Thema „Außenansagen von Fahrtziel und Liniennummer“ ab.
Der Antrag der Piraten nimmt nun noch einmal die alte und sehr berechtigte eine Forderungen des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV) auf.
Für die weitere Diskussion des Antrags in den Fachausschüssen möchte ich uns drei Aspekte mit auf den Weg geben:
- Wir als Parlament sollten der BVG sehr genaue Vorgaben machen, was sie wann und wie mit wem erprobt und uns die Frage beantworten, ob die weitere Erprobung von sprechenden Haltestellen noch Sinn macht.
- Ich könnte mir zweitens vorstellen, dass wir in einer Anhörung zum Thema uns Erfahrungsberichte aus Kassel, Gera, Erfurt, München, Schwerin und Hannover anhören, die offensichtlich das Problem rund um den § 33 StVO gelöst haben und auch die Frage der Finanzierung.
- Und damit bin ich beim 3. und letzten Hinweis für heute: Eine Beschlussfassung im Sinne einer Einführung sprechender Busse und Straßenbahnen bedarf einer Verankerung im nächsten Haushaltsplan.
Vielen Dank.