Rede im Abgeordnetenhaus zum Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderungen (27.09.2007)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
der Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderung ist ein ganz besonderes Thema.
Der Kampf um eine hohe Qualität des Fahrdienstes zieht sich durch zahlreiche Debatten im Plenum und in den Ausschüssen.
Zu Recht!
Denn der Sonderfahrdienst gibt Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, mobil zu sein und ohne Erklärungen und Rechtfertigungen, wie es in anderen Städten durchaus der Fall ist, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Wegen dieses besonderen Nachteilausgleiches, den das Land Berlin leistet, ist das Funktionieren des Sonderfahrdienstes ein besonderes Anliegen aller hier im Parlament vertretenen Fraktionen und selbstverständlich auch des Senats.
Meine Damen und Herren,
gerade deshalb konnte die Situation im Januar und Februar dieses Jahres niemanden zufrieden stellen.
Die damals zu beobachtenden Probleme standen in engem Zusammenhang mit der im Jahr 2006 erfolgten und zum Jahreswechsel 2006/ 2007 abgeschlossenen Ausschreibung.
Es gab einige unerfreuliche Anlauf- und Umstellungsprobleme :
- bei der Fahrtwunschannahme,
- bei der Fahrtenrealisierung und auch
- bei der Fahrtendurchführung.
Diese, meine Damen und Herren, fanden sich wieder in ausführlichen Diskussionen und Berichten im Hauptausschuss und im zuständigen Fachausschuss, in der Anhörung zum Sonderfahrdienst unter Beteiligung der Regie- und Fuhrunternehmen, in diversen Gesprächsrunden mit den Betroffenen, u.a. im Fahrgastbeirats und andernorts.
Das klare Benennen der Probleme, die konkrete und offensive Auseinandersetzung mit ihnen, trugen auch dazu bei, dass seit März 2007 eine deutliche Entspannung, ja eine Besserung der Situation erreicht werden konnte.
Die Anzahl der Beförderungen ist erheblich gesteigert worden, sie liegt bei derzeit ca. 480 pro Tag.
Ebenfalls gesteigert werden konnte die Anzahl der gemeinsamen Beförderungen mehrerer behinderter Nutzer, der sogenannten Einbindungen, auf rund 10%.
(Hier sei mir eine kleine Nebenbemerkung gestattet: Ich habe kurz gestutzt, als ich im Antrag von CDU, FDP und Grünen von der Einbindung unabhängiger Sachverständiger und Betroffener las. Ich nehme mal an, es ging Ihnen nicht um die gemeinsame Beförderung von Sachverständigen und Betroffenen, was allerdings zweifellos zu einer weiteren Steigerung der Einbindungsquote beitragen würde!)
Meine Damen und Herren!
Die Zahl der Beschwerden, die beim Landesamt für Gesundheit und Soziales zentral bearbeitet werden, liegt derzeit bei einer Größenordnung von rund 1%.
In absoluten Zahlen ausgedrückt sind das für den Monat August 8 Beschwerden zur Fahrtanmeldung und 2 Beschwerden zur Fahrtrealisierung und das bei über 14.000 Beförderungen!
Zu unserer aller Erinnerung, man darf sich ja auch mal positive Veränderungen vor Augen führen: Im August 2006 gab es noch 248 Beschwerden!
Vielleicht lassen diese Erkenntnisse ja auch etwas die Luft raus aus dem Antrag in der DS 16/0822, der von einer anderen Situation auszugehen scheint. Bitte schauen Sie sich diesbzgl. noch einmal die aktuellen Zahlen an!
Herr Lehmann, Frau Villbrandt, Herr Hoffmann, wie Sie wissen, bin auch ich bis zu einem gewissen Maße skeptisch gegenüber Erfolgsmeldungen, die nur auf der Zahl der erfassten Beschwerden beruhen.
Deshalb freue ich mich, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales im August allen Nutzerinnen und Nutzern des Sonderfahrdienstes einen Fragebogen zukommen ließ, mit dem die Zufriedenheit mit
- Erreichbarkeit und Personal der Regiezentrale,
- mit dem Fahrpersonal und Fahrzeugstandard,
- mit dem Abrechnungsverfahren,
- dem Berechtigungsverfahren
- und dem Magnetkartensystem
sehr dezidiert abgefragt wurde.
Außerdem gibt es im Fragebogen Raum für die Anregungen der Nutzerinnen und Nutzer. Denn nichts ist so gut, als das es nicht noch besser gemacht werden könnte!
Die Auswertung dieser Befragung sollte unbedingt in die Ausschussdiskussion der heute vorgelegten Anträge einfließen.
Zur Verbesserung der Situation haben sicherlich verschiedene Faktoren beigetragen:
- Die Vergrößerung der Fahrzeugflotte auf nun 54 Fahrzeuge der vertraglich gebundenen Fuhrunternehmer,
- die Einbeziehung von ca. 60 Teletaxen als sogenanntes Überlaufventil,
- die Einrichtung einer automatischen Ansage bei der Telefonannahme
- und nicht zuletzt der Einsatz eines weiteren Disponenten in der Fahrtwunschannahme.
Die telefonische Erreichbarkeit hat sich inzwischen verbessert, die Zahl der Fahrtablehnungen ging zurück.
In ihrem Antrag in der DS 16/0823 fordern die Fraktionen von CDU, Grünen und FDP unter Einbeziehung des ÖPNV ein neues Konzept für die unterschiedlichen Nutzergruppen vorzulegen.
Ein belastungsfähiges und effizientes Flottenmanagementsystem solle entwickelt und eingesetzt werden.
Liebe verhinderte Flottenadmiräle Herr Lehmann, FrauVillbrandt und Herr Hoffmann!
Sie erinnern sich doch sicher auch noch daran, dass dieses Haus am 05.07.07 die DS 16/0580 beschlossen hat, die den Senat aufforderte, bis zum 31.10.07 ein umfassendes Mobilitätskonzept vorzulegen, das eben jene bessere Verzahnung zwischen Sonderfahrdienst und ÖPNV zum Inhalt hat, die Sie mit Ihrem Antrag nun fordern.
Also liebes Dreigestirn von CDU, FDP und Grünen: Entweder kommen Sie mit Ihrem Antrag zu spät oder zu früh! Denn das Mobilitätskonzept ist ja bereits in Erarbeitung, hier kommen Sie also zu spät.
Und im Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales wird es nach dem 31.10.07 beraten, hier kommen Sie zu früh, müssen sich also noch ein wenig gedulden!
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir Ihre Anträge gemeinsam mit dem Mobilitätskonzept im Ausschuss beraten werden.
Denn in eben jenes Mobilitätskonzept werden Aspekte des geeigneten Flottenmanagements, Erfahrungen anderer regionaler Sonderfahrdienste, die Beteiligung der BVG, die Erprobung der Einbeziehung von Mobilitätshilfediensten im Bereich der Kurzstrecken und der begleiteten Fahrt einfließen.
Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss!