Barrierefreiheit an Hochschulen im Land Berlin
PDF (45,2 kB) Kleine Anfrage: Barrierefreiheit an Hochschulen im Land Berlin, Drucksache 16/13335
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Monteiro (SPD)
vom 10. April 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2009) und Antwort
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die staatlichen Hochschulen Berlins um Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden nachfolgend wiedergegeben:
1. Wie viele Studentinnen und Studenten mit Behinderung (Mobilitäts-, Seh- und Hörbehinderungen) sind an den Berliner Hochschulen immatrikuliert? (bitte nach Hochschulen und Behinderungsarten aufgliedern)?
Zu 1.: Die staatlichen Hochschulen Berlins erfassen aus datenschutzrechtlichen Gründen lediglich freiwillige Angaben von Studierenden mit Behinderung. Gleiches gilt auch für die Art der jeweiligen Behinderung. Es kann daher nur nachfolgende, grobe Übersicht gegeben werden:
Freie Universität | führt keine Statistik über Studierende mit Behinderung |
Berlin Humboldt-Universität zu Berlin | führt keine Statistik über Studierende mit Behinderung |
Universität der Künste Berlin | ca. 5 Studierende mit Mobilitätseinschränkungen (Rollstuhlfahrer und Hörbehinderte) aufgrund freiwilliger Selbstauskunft |
Beuth-Hochschule für Technik Berlin | 36 schwerbehinderte Studierende aufgrund freiwilliger Selbstauskunft; Art der Behinderung wird nicht erfasst |
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin | ca. 100 – 120 Studierende mit Behinderung; 3 Rollstuhlfahrer |
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin | 17 Studierende mit Behinderung sind bekannt; Art der Behinderung wird nicht erfasst |
„Alice-Salomon“ – Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin | 4 Studierende mit Mobilitätsbehinderungen 4 Studierende mit Sehbehinderungen 2 Studierende mit Hörbehinderungen |
Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ | 1 Studierender mit Mobilitätsbehinderung |
Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ | keine Studierenden mit Behinderung |
Kunsthochschule Berlin (Weißensee) Hochschule für Gestaltung | keine Studierenden mit Behinderung bekannt, da Daten über Behinderungen nicht erhoben werden |
2. Sind an den Berliner Hochschulen alle Studiengänge barrierefrei zugänglich?
Zu 2.: An der Freien Universität Berlin (FU) sind alle Lehrräume in den Hauptgebäuden barrierefrei zugänglich. Für das Institutsgebäude der Theater- und Musikwissenschaften wird dies bis zum Jahresende sichergestellt. Bei einigen Villen, die aus bautechnischen Gründen nicht behindertengerecht hergerichtet werden können und die auch nur einen minimalen Anteil am Flächenbestand der FU haben, werden im Bedarfsfall Veranstaltungen in geeignete Räumlichkeiten verlagert.
An der Humboldt-Universität zu Berlin sind nicht alle Studiengänge barrierefrei zugänglich. Je nach Behinderung wird Hilfe durch Studienhelfer/innen gewährleistet oder die zur Umsetzung eines behindertengerechten Studiums erforderlichen Maßnahmen vorgenommen.
An der Technischen Universität Berlin (TU) sind die meisten Gebäude barrierefrei zugänglich, jedoch nicht vollständig. Es gibt Gebäude, die für Rollstuhlfahrer noch nicht erschlossen sind.
An der Universität der Künste Berlin (UdK) sind drei Dienstgebäude aufgrund Denkmalschutz nur teilweise, alle übrigen Gebäude vollständig barrierefrei.
An der Beuth-Hochschule für Technik Berlin sind fast alle Vorlesungsräume barrierefrei. Lediglich die Labore der Studiengänge Theater- und Veranstaltungstechnik im Dachgeschoss sind nicht an einen Aufzug angebunden.
An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sind derzeit 2 von 5 Standorten barrierefrei. Mit Umzug der 3 anderen Standorte nach Ende des Sommersemesters 2009 an den neuen Standort Oberschöneweide werden alle Lehr- und sonst. Veranstaltungen im Innen- und Außenbereich barrierefrei zugänglich sein.
An der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) sind alle Studiengänge barrierefrei zugänglich.
An der „Alice-Salomon“ – Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin (ASH) sind alle Räume barrierefrei zugänglich.
An der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ (HFM) sind grundsätzlich alle Studiengänge barrierefrei zugänglich. Es gibt allerdings Einschränkungen beim Dienstgebäude Charlottenstraße, das nur über eine Stufe zugänglich ist und bei dem die Probebühnen und drei Unterrichtsräume nur über Treppen erreicht werden können. Die Räume werden ab dem Sommersemester 2009 jedoch nicht mehr für den Übungsbetrieb genutzt. Ein Aufzug ist sehr eng und nicht für alle Rollstuhltypen geeignet.
An der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ sind nicht alle Studiengänge barrierefrei zugänglich.
An der Kunsthochschule Berlin (Weißensee) gibt es aufgrund des Denkmalschutzes Einschränkungen.
3. Ist es gewährleistet, dass alle Studentinnen und Studenten mit einer Behinderung an allen Lehrveranstaltungen und darüber hinaus an allen anderen offiziellen Veranstaltungen der Hochschulen ohne Probleme teilnehmen können?
Zu 3.: Die staatlichen Hochschulen haben auf Anfrage bestätigt, dass bis auf die zu 2. genannten Einschränkungen derzeit alle immatrikulierten Studierenden mit Behinderung an den eingeschriebenen Lehrveranstaltungen uneingeschränkt teilnehmen können.
In Abhängigkeit von der Art der Behinderung werden bei Bekanntwerden von Einschränkungen an Hochschulen mit behinderten Studierenden ggf. im Benehmen mit dem jeweil. Behindertenbeauftragten individuelle Lösungsmöglichkeiten (z.B. veränderte Raumplanung, Studienassistenz, technische Hilfsmittel, Dolmetscher) erarbeitet, um behinderten Studierenden eine weitestgehende Teilnahme an allen Veranstaltungen der Hochschule zu ermöglichen.
Zwei der Berliner Hochschulen – die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin – sind mit dem Signet Berlin barrierefrei ausgezeichnet worden.
4. Ist das unmittelbare Umfeld der Hochschulgebäude barrierefrei?
Zu 4.: Die staatlichen Hochschulen des Landes befinden sich ganz überwiegend auf landeseigenen Grundstücken, die an öffentliches Straßenland angrenzen. Insoweit ist Barrierefreiheit in weitestgehendem Umfang gewährleistet. Dies gilt auch für das Umfeld der beiden Berliner kirchlichen Hochschulen. Darüber hinaus sind die Einrichtungen des Studentenwerks (Mensen, Cafeterien, das Bafög-Amt, die Wohnheimverwaltungen, zwei soziale und psychologische Beratungsstellen, Arbeitsvermittlung, drei Kitas) barrierefrei erreichbar. Die Kitas im Bereich der FU und der TU sind nicht über alle Stockwerke für Gehbehinderte erreichbar. Der Beratungsbereich in der TU wird ab Ende Mai u.a. durch den Einbau eines Aufzugs barrierefrei erschlossen sein. Insgesamt verfügt das Studentenwerk zudem über 59 rollstuhlgerechte Wohnheimplätze.
5. Wenn nein, welche konkreten Einschränkungen gibt es?
Zu 5.: Bei der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmittel sind Einschränkungen vorhanden: z.B. ist die U-Bahnstation Französische Straße beim Dienstgebäude Charlottenstraße der HfM sowie die U-Bahnstation Ernst Reuter Platz in der Nähe der TU und UdK noch ohne Aufzug und Rolltreppe. Es verkehren jedoch behindertengerechte Busse und abgesenkte Bordsteine ermöglichen rollstuhlgerechte Übergänge.
Im Umfeld sowie auf dem Gelände des Campus Lichtenberg der HWR sind zzt. durch Baumaßnahmen die barrierefreien Wege vorübergehend etwas eingeschränkt; es gibt jedoch nach Auskunft der Hochschule genügend Ausweichwege. Der Campus Adlershof der HU ist vom Hauptstandort der HU in Berlin-Mitte zzt. nicht auf direktem Wege mit der S-Bahn erreichbar, da der S-Bahnhof Adlershof im Umbau ist. Ein behindertengerechter Zugang über den Haupteingang der HU in Berlin-Mitte kann aus technischen und aus Gründen des Denkmalschutzes (historische Treppenanlage) nicht umgesetzt werden.
6. Was wird von den einzelnen Hochschulen bis zu welchen Terminen getan, um die gleichberechtigte Teilhabe der Studierenden mit Behinderung zu gewährleisten?
Zu 6.: Bei evtl. Umbaumaßnahmen werden die Belange von mobilitätseingeschränkten Studierenden regelmäßig berücksichtigt um die barrierefreien Zugänge zu und in den Hochschulen dem Bedarf entsprechend kontinuierlich zu erweitern. In das Institutsgebäude der Theater- und Musikwissenschaften der FUB wird bis Jahresende ein Aufzug eingebaut. Bei der ASH können Studierende mit Hörbehinderung noch nicht in allen Räumen an Veranstaltungen teilnehmen. Hier sind jedoch für das Jahr 2009 technische Anpassungen vorgesehen. Bei der HfM wird im Rahmen des Konjunkturprogramms II im Zeitraum 2009/2010 gemeinsam mit dem Berliner Immobilienmanagement der Aufzug im Dienstgebäude Charlottenstraße erneuert und ein Treppenlift eingebaut.
7. Wie beurteilt der Senat, dass beispielsweise an der Evangelischen Fachhochschule Berlin u.a. folgende Behinderungen für mobilitätsbehinderte Studierende, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, bestehen: Kein Zugang zur Verwaltung, zum Audimax und zu allen Seminarräumen im Haus F, kein Zugang zu den Seminarräumen und Büros im 2. Stock des Hauses C, für einen Elektrorollstuhl kaum passierbare Wege auf dem Campus (Breite der Wege, Oberflächenschäden), zu schmale Rampe zum Parkplatz?
Zu 7.: Die Evangelische Fachhochschule ist keine staatliche Hochschule. Insoweit stellt das Land weder ein Grundstück für den Hochschulbetrieb zur Verfügung noch übernimmt es Verantwortung für Bauvorhaben und die bauliche Gebäudeunterhaltung.
An der Evangelische Fachhochschule Berlin sind derzeit 40 Studierende mit chronischer Krankheit oder Behinderung, davon 12 Studierende mit Sinnesbehinderung oder Mobilitätseinschränkungen immatrikuliert.
Nach Auskunft der Evangelischen Fachhochschule ist der für die Studierenden relevante Verwaltungsbereich (Immatrikulation, Zulassungsamt, Praktikanten- und Prüfungsamt, Mediation, Kinderbetreuung und Studentenparlament) barrierefrei zu erreichen. Bei Veranstaltungen im Audimax organisiert die Hochschule individuelle Assistenz für Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen. Nach individueller Beratung bemüht sich die Evangelische Fachhochschule Berlin (EFB) zur Realisierung des Studienprogramms um barrierefreie räumliche Alternativen z.B. in der Kirche zur Heimat oder in einem anderen Gebäudetrakt auf dem Campus. Die Raumverteilung für mobilitätseingeschränkte Personen wird so geplant, dass alle erforderlichen Lehrveranstaltungen zugänglich sind. Studienassistenzen und technische Kommunikationshilfen sowie Mobilitätshilfen sind in den Studienalltag integriert. Es gibt in jedem Gebäudeteil Toiletten für Rollstuhl gebundene Personen. Die Rampe und die neuen Gehwege zwischen E- und F-Gebäude entsprechen den Anforderungen des barrierefreien Bauens der DIN 18024-1 und 18025-1/2. Der Schieferplattenweg mit seiner für RollstuhlfahrerInnen schlechten Oberflächenbeschaffenheit steht unter Denkmalschutz. Eine Verbesserung der Außenwege (Schieferpolygonalplatten) oder deren Ersatz ebenso wie die Anlage alternativer Wege zugunsten mobilitätsbehinderter Personen scheiterte bisher an den Auflagen der zuständigen Denkmalschutzbehörde und an den fehlenden finanziellen Mitteln.
8. Stimmt der Senat mit mir darin überein, dass dadurch eine gleichberechtigte Teilhabe der Studierenden mit Behinderung sehr stark eingeschränkt ist?
Zu 8.: Wie in der Antwort zu Frage 7. dargestellt, werden seitens der Hochschule im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten angemessene Vorkehrungen getroffen, um die gleichberechtigte Teilhabe der Studierenden mit Behinderung zu gewährleisten.
9. Teilt der Senat die Auffassung, dass eine durch erhebliche Mittel aus dem Landeshaushalt finanzierte Berliner Hochschule an die Festlegungen des Landesgleichberechtigungsgesetzes (§ 2 Diskriminierungsverbot, § 4a Herstellung von Barrierefreiheit, die es möglich macht, dass alle Teile der Hochschule, „ ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind“) gebunden und darüber hinaus verpflichtet ist, die Festlegungen der von der Bundesrepublik ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen einzuhalten (z.B. Artikel 9: über die gleichberechtigte Zugänglichkeit von Gebäuden oder Artikel 24: Bildung, der u.a. „…angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen“ vorsieht, um sicher zu stellen, „dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung…“ haben)?
Zu 9.: Auf der Grundlage der Erstattungsverordnung erhält die Evangelische Fachhochschule ihre persönlichen Ausgaben (Personalkosten) aus Haushaltsmitteln des Landes Berlin erstattet. Bei der Herstellung einer Barrierefreiheit handelt es sich um baulich-investive Maßnahmen. Für Maßnahmen dieser Art erhält die Hochschule keine Mittel aus dem Landeshaushalt. Ein vorsätzlicher Verstoß der EFB gegen die zitierten Rechtsvorschriften ist nicht erkennbar. Im Gegenteil ist die EFB intensiv bemüht etwaig bestehende Einschränkungen durch kreative Hilfestellungen zu bewältigen.
10. Ist dem Senat bekannt, ob und wenn ja welche Maßnahmen die Evangelische Fachhochschule plant, diese Missstände (bis zu welchem Termin) zu beseitigen?
Zu 10.: Nach Auskunft der Hochschule wurde im Jahr 2008 beim Umbau des Bibliotheksgebäudes das gesamte Gebäude einschließlich Bibliotheksmagazin und Seminarräume barrierefrei zugänglich gestaltet. Das Freigelände erhielt neue DIN-gerechte Wege und eine neue Rampe zum Parkplatz. Um auch das F-Gebäude barrierefrei zu gestalten, stehen der EFB die notwendigen finanziellen Mittel derzeit nicht zur Verfügung.
11. Wenn nein, welche Möglichkeiten der Einflussnahme hat der Senat, um die Fachhochschule zu veranlassen, einen barrierefreien Zugang zu allen Bereichen zu gewährleisten?
Zu 11.: Siehe Antworten zu Fragen 9 und 10.
Berlin, den 13. Mai 2009
In Vertretung
Dr. Hans-Gerhard Husung Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juni 2009)