Wie werden Antragsteller von Arbeitslosengeld 2 über ernährungsbedingte Mehrbedarfe informiert?

Betroffene hatten mich auf die mangelnde Beratung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern im Bereich der ernährungsbedingten Mehrbedarfe hingewiesen. Dies nahm ich zum Anlass, folgende Schriftliche Anfrage an die Senatsverwaltung zu stellen:

1. Haben Antragsteller von Arbeitslosengeld 2 (Alg 2)
die Möglichkeit, sich von Mitarbeitern der JobCenter oder
der Bundesagentur für Arbeit speziell zur Beantragung
von ernährungsbedingten Mehrbedarfen nach § 21 Absatz
5 SGB II beraten zu lassen? Wenn ja, werden die Antragsteller
regelmäßig auf diese Möglichkeit im Laufe des
Antragsstellungsverfahrens zu Alg 2 hingewiesen? Wenn
es keine Beratungsmöglichkeiten gibt, wie lässt sich dies
mit §§ 13 und 14 SGB I vereinbaren?

Zu 1.: Die gemeinsame Einrichtung (Jobcenter) nimmt
die Aufgaben der Träger nach dem Sozialgesetzbuch –
Zweites Buch – (SGB II) wahr.
Mit dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
können Leistungen nach dem SGB II
beantragt werden. Hierzu gehören auch die Leistungen für
ernährungsbedingte Mehrbedarfe. Im Hauptantrag ist eine
entsprechend einfach gehaltene Frage nach Mehrbedarf
unter Punkt 3 formuliert: „Ich benötige aus medizinischen
Gründen eine kostenaufwändige Ernährung“. Wird diese
Frage nach einem Mehrbedarf für kostenaufwändige
Ernährung durch die Antragstellerin bzw. den Antragsteller
mit „ja“ beantwortet, ist die Ausgabe der Anlage MEB
(Anlage zur Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige
Ernährung, Anlage 1) obligatorisch. Eine
entsprechende Beratung, insbesondere zum Verfahren und
den notwendigen Unterlagen ist mithin angezeigt und auf
Wunsch der Kundin oder des Kunden durchzuführen.
Weiterhin werden bei der Antragsausgabe auch die
Ausfüllhinweise zum Hauptantrag Arbeitslosengeld II ausgehändigt, in
welchem nähere Informationen zum ernährungsbedingten
Mehrbedarf zu finden sind.
Im Merkblatt SGB II unter Pkt. 4.4. werden die Antragstellerinnen
und Antragsteller ebenfalls auf die Möglichkeit der
Gewährung von ernährungsbedingten Mehrbedarfen hingewiesen.
Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger
können zudem im laufenden Leistungsbezug formlos
einen Antrag auf Mehrbedarf stellen und erhalten die
entsprechende Anlage und auf Wunsch eine Beratung.
Auszüge aus den Ausfüllhinweisen (Anlage 2) sowie dem
Merkblatt SGB II (Anlage 3) sind beigefügt.

2. Werden die Antragssteller in diesem Beratungsgespräch
umfassend über die möglichen Erkrankungen
aufgeklärt, die einen ernährungsbedingten Mehrbedarf
rechtfertigen? Wenn ja, in welcher Form?

Zu 2.: Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Jobcenter in den Vermittlungs- und Leistungsbereichen
sowie den Eingangszonen handelt es sich nicht um medizinisches
Fachpersonal. Eine Beratung zu den einzelnen
Krankheiten und den notwendigen Ausprägungen zum
Erhalt eines Mehrbedarfes ist daher an dieser Stelle nicht
möglich. Die Geltendmachung eines ernährungsbedingten
Mehrbedarfes erfolgt grundsätzlich im Rahmen einer
Einzelfallprüfung. Die Beurteilung der Krankheit und der
Notwendigkeit bzw. Höhe eines ernährungsbedingten
Mehrbedarfes kann und wird ausschließlich von medizinischem
Fachpersonal (hier: dem Ärztlichen Dienst der BA,
dem zuständigen Gesundheitsamt) vorgenommen. In der
zu fertigenden Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes
bzw. des Gesundheitsamtes soll dabei eine Einschätzung
zur Höhe des Mehrbedarfes im Sinne von Analogien zu
anderen Erkrankungen und Krankenkostzulagen abgegeben
werden.
Unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Deutschen
Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.
hat die BA mit Genehmigung des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales über die Fachlichen Hinweise zu § 21
SGB II; siehe dort Pkt. 5, Anlage 4.) bereits einige Krankheiten
generell und weitere bei schweren Verläufen oder
besonderen Umständen als mehrbedarfsauslösend anerkannt,
welche keiner weiteren Prüfung durch das medizinische
Fachpersonal bedürfen und in der Anlage MEB
aufgeführt sind. Hier genügt die Bescheinigung der behandelnden
Ärztin bzw. des behandelnden Arztes mit den
auf der Anlage MEB abgefragten Tatsachen.
Nicht aufgezählte Krankheiten obliegen der Einzelfallprüfung
im Hinblick auf die Auslösung eines ernährungsbedingten
Mehrbedarfes. Somit können die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Jobcenter lediglich auf die
Möglichkeit eines entsprechenden Mehrbedarfes hinweisen
und die Beratungsleistung kann sich bei der Antragstellung
naturgemäß nur auf die notwendigen zu erbringenden
Unterlagen, das generelle Verfahren und eine
Auskunft zu den pauschalen Höhen beschränken.
Auszüge aus den Fachlichen Hinweisen zu § 21 SGB
II (Anlage 4) sind beigefügt.

3. Im Antragsformular zu Alg 2 wird gefragt, ob sich
der Antragssteller aus medizinischen Gründen kostenaufwändig
ernährt und dabei auf die Anlage MEB verwiesen.
In dieser Anlage sind im Erläuterungsblatt an den bescheinigenden
Arzt gerichtet einige Beispiele wie HIV
und Niereninsuffizienz angegeben. Gibt es JobCenterintern
oder bei der Bundesagentur für Arbeit eine umfassende
Liste von Erkrankungen, die einen ernährungsbedingten
Mehrbedarf rechtfertigen? Wenn ja, fügen Sie
diese bitte Ihrer Antwort bei.

Zu 3.: Nicht in der Anlage MEB aufgeführte Krankheiten
obliegen immer der Einzelfallprüfung im Hinblick
auf die Auslösung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes.

4. Warum wird eine solche Liste nicht dem Antragsformular
bzw. der Anlage MEB beigefügt, um die oftmals
unkundigen Antragsteller besser auf diese Möglichkeit
hinzuweisen?

Zu 4.: Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.

5. Welche juristischen Bedenken gäbe es gegen die
Erweiterung der Anlage MEB um solch eine Liste?

Zu 5.: Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.

6. Gelten bei der Bearbeitung der Anträge von ernährungsbedingten
Mehrbedarfen unabhängig von der vorliegenden
Erkrankung bei allen beantragten Mehrbedarfen
die gleichen Kriterien bzgl. Qualität und Umfang der
ärztlichen Bescheinigung? Wenn nein, aufgrund welcher
Rechtsgrundlage werden hier Unterschiede gemacht?
Worin besteht der Sachgrund dafür? Gibt es sonst noch
abhängig von der Erkrankung unterschiedliche Entscheidungskriterien?

Zu 6.: Sofern in der ärztlichen Bescheinigung ausschließlich
anerkannte Krankheiten bzw. Krankheitsverläufe
gemäß der Anlage MEB bescheinigt werden, ist im
Regelfall keine weitere Prüfung notwendig. In allen anderen
Fällen ist die Einschaltung des medizinischen Fachpersonals
zu prüfen, aus welcher sich dann ggf. weitere
Anforderungen von Befundunterlagen, Untersuchungen
bzw. Prüfungen ergeben können.

7. Ist eine ärztliche Bescheinigung im Zusammenhang
mit der Anlage MEB allein ausreichend, um einen ernährungsbedingten
Mehrbedarf zu legitimieren? Erfolgen
seitens der JobCenter oder der Bundesagentur für Arbeit
weitere Untersuchungen/Erkundigungen bzw. können
diese im Einzelfall gefordert werden?

Zu 7.: Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen.

8. Nach welcher Methode bestimmt das JobCenter oder
die Bundesagentur für Arbeit die Höhe des ernährungsbedingten
Mehrbedarfes? Sofern bereits standardisierte
Beträge für einzelne Erkrankungen bestehen, fügen
Sie bitte eine solche Liste bei.

Zu 8.: Für die anerkannten Krankheiten kann die Höhe
des Mehrbedarfes der Anlage zu den Fachlichen Hinweisen
zu § 21 SGB II (s. Pkt. 5.3. und Anlage 4) entnommen
werden.
In allen anderen Fällen ist eine Einzelfallentscheidung
notwendig, wobei in der Stellungnahme zur Einschätzung
der Höhe des Mehrbedarfes auf Analogien zu anderen
Erkrankungen und Krankenkostzulagen eingegangen
werden soll.

9. Wer übernimmt aufgrund welcher Rechtsgrundlage
die Kosten für die ärztliche Begutachtung, die die Anlage
MEB erfordert?

Zu 9.: Es können die angemessenen Kosten der vorgesehenen
Bescheinigung nach Ziffer 70 der Gebührenordnung
für Ärzte (GOÄ) übernommen werden. Diese betragen
bei Privatrechnungen den üblichen 2,3-fachen Satz,
das sind derzeit 5,36 EUR. Höhere Kosten werden nicht
übernommen. Erforderliche Einschaltungen von medizinischem
Fachpersonal durch die Jobcenter erfolgen verwaltungsintern
zu Lasten des Verwaltungskostenbudgets
der Jobcenter.

Hier die Schriftliche Anfrage zum Herunterladen